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                                           T A N J A    H U T S C H E N R E U T E R

Glück ist grün

Wenn die Kraft nicht mehr trägt

Im Alltag keine Kraft mehr zu empfinden kann Angst bereiten. In einem Interview berichtet eine Singlefrau von ihren Erfahrungen. Das Gespräch führte Tanja Hutschenreuter.

Egal was hier auf Erden schief oder gut läuft, ich kenne mein Ende und das ist meine größte Hoffnung. In dieser Perspektive wird alles andere unwichtiger, denn ich werde einmal in Frieden leben.

Tanja: Was war dein Päckchen, welches du zu tragen hattest?

Ich glaube mein Päckchen war die Kombination aus der Unzufriedenheit mit der Arbeit und der zusätzliche Stress dort. Einiges lief schief. Es wurde immer mehr verlangt und meine falschen Verhaltensweisen aus der Kindheit traten auf. Ich bin jemand, der immer versucht hat, alles am Laufen zu halten. Weil es mir darum ging, dass es den anderen gut geht, habe ich mich dabei selbst verloren. Trotz meines Single-Seins fühlte ich mich nicht einsam. Jedoch trug ich alle Probleme selbst.

Schließlich erkrankte ich an einem klassischen Burnout mit einer Erschöpfungsdepression.

Tanja: Welche Auswirkungen hatte das auf dein Leben?
In der Arbeit habe ich funktioniert. Bei Problemen im Alltag (Streit/Konflikte, Steuererklärung ...) wurde ich immer empfindlicher. Gelitten habe ich am Wochenende. Am Samstag bin ich aufgewacht und die Welt ist auf mich eingestürmt. Ich saß immer heulend am Fenster und habe auf den Garten geschaut. Für das Wochenende hatte ich nie Pläne. Früher ging ich gerne ins Konzert, habe mich mit Freunden getroffen und vieles mehr. Doch nun fand ich nur noch selten Kraft, um Freunde anzurufen. Wenn sie dann auch noch keine Zeit hatten, kamen Schuldgefühle, dass ich mich nicht früher gemeldet hatte.

Ich stand in der Zwickmühle: Ich musste etwas tun was mir gut tat, aber ich war zu müde zu allem.

Auch quälten mich die Gedanken: „Ich wohne doch so schön, warum geht es mir so schlecht? Mir müsste es doch gut gehen, weil ich jetzt frei habe. Warum kann ich es nicht genießen?“

Ich spürte mich nicht mehr.

Folgende Frage beschäftigte mich sehr: „Warum packen es andere und ich nicht?“ Auch beschäftigte mich mein Wissen, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr in der Lage war, Grenzen zu setzen.

Ab wann ist es genug?

Darf ich sagen, ab wann es genug ist? Ich hatte keine Idee, wie ich aus der Zwickmühle herauskommen sollte. Da ich Single war, musste ich Geld verdienen. Ich war müde! Ich war einfach so müde! Müde von allem!

Tanja: Was hat das mit deiner Gottesbeziehung gemacht?
Ich habe mich gefragt: „Bete ich genug? Bin ich heilig genug? Im Gottesdienst hoben alle die Hände, ich jedoch nicht. Stimmt was mit mir nicht? Was ist bei denen anders? Mache ich es richtig oder fehlt mir was?“

Alle waren bei Gemeindeaktivitäten dabei, nur ich nicht. Dies löste bei mir eine Unsicherheit aus. „Müsste ich nicht mehr wollen? Was ist bei denen anders?“

„Bin ich überhaupt ein richtiger Christ?“

Tanja: Wann hast du für dich gemerkt, dass du etwas verändern musst?
Ich habe viele Jahre gewusst, dass es nicht gut läuft. Ich wusste nur nicht, wie ich dort heraus kommen sollte. Doch dann wurde es extremer. Ich hatte drei Wochen Urlaub mit dem Ziel, mich richtig zu erholen. Das Vorhaben im Urlaub funktionierte nicht. Dann wusste ich, jetzt wird es eng. Es geht nicht mehr so weiter. So beschloss ich, in die Beratung zu gehen. An meinem Geburtstag sagte ich es meinen Freunden.

Bei der Beratung wurde mir geraten, in die Klinik zu gehen. An diesem Punkt wurde mir erst klar, wie schlecht es mir schon ging.

Folgende Fragen quälten mich: „Wie funktioniert das jetzt? Wo gehe ich hin? Was soll ich machen?“ Hierbei unterstützte mich meine Beraterin sehr. Sie half mir Schritte für einen neuen Weg zu finden, denn ich wollte das Problem von der Wurzel angehen.

Tanja: Wie war dein Weg, um gesund zu werden?
In einer psychotherapeutischen Tagesklinik fand ich ambulante Hilfe. Über ein Jahr war ich krank geschrieben. In dieser Zeit fand ich Hilfe bei einer Psychologin.

Als alleinstehende Person waren für mich meine Freunde sehr wichtig. Ich informierte viele von ihnen. Sie nahmen mich an, wie ich war und halfen mir. Ich sagte, wie es mir ging und was ich konnte und was nicht.

Tanja: Was hast du aus dieser Situation gelernt?

Es war ein Segen, die Erfahrung zu machen, dass etwas hält, wenn nichts mehr hält.

Ich lernte, meine Körperzeichen wahrzunehmen, anzunehmen, zu akzeptieren und dementsprechend zu handeln.

Ich habe gelernt, dass es weiter geht. Dass es Lösungen gibt! Ich habe gelernt, dass ich aus der Spirale der Lebensumstände raus muss, um Neues zu entdecken. Sonst habe ich nicht den Kopf, nicht die Energie und nicht die Zeit, um raus aus der Situation zu können. Es gibt keine Abkürzung, sonst überrollt es mich wieder!

Ich musste mitten durch! Ich musste es selber machen! Ich musste selber auf das Eis gehen, um die Erfahrung zu machen, dass es mich trägt! Ich kann Unterstützung annehmen, aber ich muss selber raus gehen!

Die Lösungen kommen beim Gehen!

Das Vertrauen ergibt sich beim Gehen und Wagen. Hierbei erfuhr ich, dass Sitzen bleiben viel schlimmer ist.

Finanziell kam ich gut zurecht. Es ist nicht der Weltuntergang ganz unterzugehen. Ich habe es genutzt als Neubeginn, weil ich es gewagt habe mich hineinzubegeben. Mein Appell auch an alle draußen: Weiter runter geht es nicht mehr. Es geht nur rauf.

Tanja: Welche Rolle spielte Gott für dich in dieser Situation?
Ich liebe die Ruhe und sie zu genießen. Gott hat mir seine Natur auf einem goldenen Tablett präsentiert. Wilde Tiere zu sehen fällt direkt in mein Herz. Bei meinen vielen Spaziergängen sind mir Vögel und seltene Tiere begegnet, die ich noch nie vorher gesehen haben. Danach sah ich sie nie wieder. Gott füllte mein Herz mit diesen speziellen Momenten, die ich auch von meinem Fenster aus sehen konnte.

Es war schwierig, allein zu sein, nachdem Besuch da war. Wenn ich wieder allein war und trauerte, kamen Tiere vor mein Fenster. Diese Momente zeigten mir: Gott kümmert sich um mich. Ich nahm mir Zeit für Worship und Predigten, die in meine Situation und meine Not hineinsprachen, was kein Zufall war.

Auch habe ich angefangen, für später vorzusorgen, indem ich begann, ein Tagebuch zu schreiben. Hier wurde alles Gute, was ich mit Gott erlebt habe, Bibelverse, die mich angesprochen haben, notiert. Damit konnte ich in Notsituationen wieder Mut, Kraft und Hoffnung schöpfen.

Tanja: Was hast du in deinem Leben verändert?
Ich begann eine neue Ausbildung, in der ich meiner Leidenschaft (Pflanzen, Tiere, Natur) Raum geben konnte. Die finanziellen Einbußen durch die Ausbildung und das geringere Gehalt nahm ich für eine bessere Zukunft in Kauf. Die jetzige Arbeit ist leichter, auch wenn ich körperlich härter arbeite. Dafür kann ich mir wieder Zeit nehmen für Hobbys und kreativ sein.

Was ich mache, mache ich gern. Es gibt auch Probleme. Aber es stimmt ganz viel.

Tanja: Kannst du sagen, dass du zufrieden bist?
Im Großen und Ganzen ja. Ich bin zufriedener. Wenn mich etwas bedrückt, denke ich an das Alte und bin schneller wieder glücklich. Durch meine großen Aufbrüche, wie z. B. der Jobwechsel, habe ich gelernt, dass Veränderung gar nicht so schlimm ist. Dass ich ja Übung habe. Dies hilft mir sehr.

Tanja: War die Erschöpfung für dich ein Unglück?
Für mich war der Anfang schrecklich. Es war wie ein Abgrund, da ich mich ganz unten fühlte. Stress, in dem „ich muss“, ist für mich Unglück. Jedoch die Krankheit „Erschöpfungsdeppression“ verstehe ich nicht als Unglück, sondern als eine Chance der Neuorientierung.

Tanja: Was ist für dich Glück?
Glück ist „grün“! Die Natur zu erleben, macht mich glücklich und zufrieden. Ich komme bei mir an. Freiheit und Ruhe genießen ist für mich Glück. Wenn ich auftanken kann in der Gegenwart Gottes, dann bin ich wieder Herr meines Lebens und kann im Sturm des Lebens wieder koordinieren.

Tanja: Möchtest du noch etwas wichtiges an die Leser weiter geben?
Erlebe den heilsamen Schöpfer durch die Natur!

Unsere Interview-Partnerin möchte anonym bleiben und ist der Redaktion bekannt (Leserbriefe leiten wir gerne weiter). Sie ist 39 Jahre alt und Single. Ihren alten Beruf als Krankenschwester tauschte sie gemäß des Titels „Glück ist grün“ durch den der Staudengärtnerin aus.