Die Zeit nach der „rosa Brille“
Verliebt zu sein ist keine Entscheidung - Liebe aber schon!
Auf Wolke 7
In der Phase der Verliebtheit gibt es untereinander keine oder kaum Kritik. Der Partner scheint in allen Belangen perfekt zu sein. Das Neue ist so reizvoll, dass es egal ist wie der Partner gekleidet ist oder aussieht. Auch beim Charakter ist erstmal jede Eigenschaft ganz toll oder wird zumindest erstmal so wahrgenommen. Die Phase der Verliebtheit ist für mich eine intensive Zeit den Partner kennen und lieben zu lernen, ohne direkt alle Ecken und Kanten bewusst wahrzunehmen. Und somit ist diese Zeit eine wichtige Vorbereitung auf die Phase der Liebe… So beschrieb mein Mann Patrick die Verliebtheitsphase.
Nur beste Freunde!
Bevor wir ein Pärchen wurden, hatten wir eine lange Beste-Freunde-Phase. Diese war ca. drei Jahre lang, wovon Patrick ca. zwei Jahre lang um meine Liebe wortwörtlich gekämpft hat: er war ein Gentleman durch und durch, organisierte ein Überraschungs-Fotoshooting, ein persönliches Feuerwerk nur für mich, versteckte Nachrichten unter dem Kopfkissen, überschüttete mich mit Komplimenten, bastelte Fotobücher mit liebevollen Kommentaren, entführte mich zu einem spontanen Ausflug ans Meer…Wir nennen diese Phase auch unsere „rosa Phase“.
Nach viel Reflektieren und vielen Gesprächen mit guten Freundinnen und Patrick habe ich mich für eine feste Beziehung entschieden. Ich brauchte einfach mehr Zeit, um mich darauf einzulassen, musste Vorstellungen über Bord werfen und mich auf Neues einlassen – ich bin zu Anfang sehr verkopft an die Beziehung heran gegangen. Als es endlich so weit war, waren wir wahnsinnig glücklich. Wir haben unsere intensive Freundschaftszeit sehr genossen und denken sehr gerne daran zurück. Patrick hat sich wahnsinnig viel Mühe gegeben, seine Gefühle in jeder möglichen Situation zum Ausdruck zu bringen. Wir waren wirklich auf Wolke 7!
Schluss mit rosa!
Umso härter war dann für mich die Zeit in der unsere rosa Phase endete. Auf einmal bekam ich nicht mehr jeden Tag Komplimente im Übermaß, die romantischen Überraschungen waren nicht mehr alltäglich... Im Rückblick würde ich sagen, dass Patrick seine rosa Brille früher abgesetzt hat als ich. Kein Wunder: er war sich ja schon fast 2 Jahre vor mir seinen Gefühlen bewusst und hat diese immer wieder zum Ausdruck gebracht und ausgelebt. Ich hingegen, habe meine Gefühle lange nicht zugelassen. Der Satz „Nein, wir sind nur beste Freunde!“ hatte sich sehr stark in mein Gehirn und meinen Wortschatz eingebrannt und war lange Zeit für mich Realität. Als ich dann mehr und mehr meine Gefühle zu Patrick zuließ und meine rosa Brille aufsetzte war Patrick schon mitten in der rosa Phase. So erkläre ich mir, dass er auch früher „damit fertig war“. Das Ende kam für mich sehr abrupt, da ich mich sehr an diese wunderbare rosarote Phase gewöhnt hatte und noch länger dort hätte verweilen können. Ich war irgendwie unzufrieden, verstand nicht, was los war – mittlerweile tue ich das. Patrick hingegen hat das Ende unserer rosa Phase nicht wirklich wahrgenommen. Für ihn war die Phase einfach irgendwann weniger intensiv.
Die ersten kleinen Unzufriedenheit tauchten auf und wir lernten, dass Schweigen keine effektive Konfliktmethode ist oder mein Partner nicht immer weiß, was momentan mein Bedürfnis ist und er auch nicht alleine dafür verantwortlich ist, dass es mir gut geht. Die fünf Sprachen der Liebe und die Persönlichkeitstypen nach dem DISG-Modell kennenzulernen, hat uns u. a. sehr geholfen, den anderen besser zu verstehen und anzunehmen. Unsere unterschiedlichen Persönlichkeiten, kombiniert mit unterschiedlichen Gewohnheiten und Ausdrucksformen aus unseren Herkunftsfamilien, wurden ab und zu einer brisanten Mischung. Ich staune heute noch darüber: Ich konnte zu Anfang unserer Freundschaft keine einzige negative Eigenschaft an meinem Freund nennen und wir waren zusätzlich der Überzeugung, dass wir uns total ähnlich sind. Verrückt, wie die „rosa Brille“ die Sicht einschränkt…
Ecken & Kanten
Nachdem wir geheiratet und zusammen gezogen sind und so langsam der Alltag einkehrte, kamen die ersten echten Auseinandersetzungen ganz von alleine. Spätestens da habe ich gemerkt, dass Patrick Ausdrucksformen hat, die mich gestört haben, genauso wie ich Gewohnheiten hatte, die Patricks Geduld stark herausgefordert haben. Diese haben wir natürlich nicht einfach weggezaubert, aber wir lernen mehr und mehr Reaktionen des anderen richtig einzuordnen und Feedback zu geben, wenn es zu weit geht – und auch Kompromisse einzugehen und an uns zu arbeiten. Das hat uns viel Geduld und Zeit gekostet. Aber wir blicken zurück und sehen, wie gut uns diese Auseinandersetzungen getan haben, um Neues über uns selbst und den Anderen zu erfahren. In den letzten zwei Ehejahren haben wir ganz neu gelernt, was es bedeutet, sich immer wieder neu für den anderen zu entscheiden. Und wir merken, wie viel intensiver diese Liebe ist, denn sie geht viel tiefer: Die schöne Seite an der Phase der Liebe ist die Vertrautheit. Hat man seinen Partner kennen und lieben gelernt und auch zugelassen, dass der Partner einen selbst kennen und lieben gelernt hat, hat man ein „seelisches zu Hause“. Man kann schöne Erlebnisse und auch alle Sorgen mit dem Partner teilen, sich fallen lassen und zur Ruhe kommen – immer mit der Gewissheit: Es gibt jemanden, der kennt und liebt mich, so wie ich bin. Und diesen Jemand kenne und liebe ich genauso mit all seinen Ecken und Kanten.
Rosa Phasen im Ehealltag
Um neben den normalen Auseinandersetzungen auch immer wieder rosa Phasen in den Ehealltag zu erleben, haben wir gelernt, einander zu fragen, was der andere braucht – und es genauso von uns aus direkt mitzuteilen ohne zu erwarten, dass der andere immer weiß, was man gerade braucht, um sich geliebt zu fühlen. Das kann in unserem Fall schon eine aufgeräumte und saubere Wohnung und ein gutes Essen auf dem Tisch oder eine herzliche Umarmung sein. Ein ehrlich gemeintes Lob oder ein Streicheln im Vorbeigehen. Träumen und Pläne schmieden für die Zukunft oder eine Radtour zur Lieblingseisdiele... Wir drücken Liebe unterschiedlich aus und empfangen sie über unterschiedliche Kanäle. Das zu wissen und darüber immer wieder im Gespräch zu sein hat uns sehr geholfen. Und dennoch klappt es natürlich nicht immer – es braucht ein genaues Hinhören, kostet Überwindung, manchmal muss man den ersten Schritt gehen, barmherzig sein, vergeben und Vergebung aussprechen…
Segen & Auftrag
Uns entspannt sehr, dass wir nach zwei Jahren keine perfekte Ehe führen müssen und wir uns noch im laufenden Prozess des voneinander Lernens und aneinander Wachsens befinden. Dass wir Gott dabei an unserer Seite haben, ist ein großes Privileg. Unser Trauvers ist uns dabei ein großer Segen und Auftrag zugleich: „Das Wichtigste aber ist, dass ihr einander beständig liebt, denn die Liebe deckt viele Sünden zu! Gott hat jedem von euch Gaben geschenkt, mit denen ihr einander dienen sollt. Setzt sie gut ein, damit sichtbar wird, wie vielfältig Gottes Gnade ist.“ 1. Petrus 4, 8+10
Ihre
Lena & Patrick Knaack