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S A R A H   M A R I E   T Ö N G E S

Gebetsfreundschaft:
Die Sache mit dem Dreieck

Wie ein kleiner Termin am Freitagmorgen nicht nur meine Freundschaft, sondern auch mein Gebetsleben bereichert hat.

Lange war Gebet eine stille Sache zwischen mir und Gott. Das änderte sich, als eine Freundin und ich uns entschieden, das gemeinsame Gebet zu einem
festen Bestandteil unserer Freundschaft zu machen – eine Entscheidung, die ich anderen heute wärmstens weiterempfehle.


„Freundschaft ist geschafft, wenn du und ein Freund schafft, was eigentlich keine Freunde schafft“, schrieb ich vor zwei Jahren in mein Tagebuch. Es war wenige Tage bevor ich meine Studienstadt Münster für einen Umzug nach Bonn verließ, und mit ihr all meinen engsten Freundinnen Lebewohl sagte. Ich zog nach Bonn, um meiner Fernbeziehung ein Ende zu bereiten, und ein Stückchen näher an dem Mann zu wohnen, mit dem ich mein Leben plante. Doch es war der Beginn einer neuen Fernbeziehungen – der Beginn der Fernfreundschaft zu meiner besten Freundin Marlene.

Gott als Mittelpunkt zwischenmenschlicher Beziehungen Christliche Beziehungen beschreibt man gerne mit dem Bild eines Dreiecks: Gott ist die Spitze, Mann und Frau liegen ihm als die unteren Ecken gegenüber, und je weiter sie sich auf Gott zu bewegen, desto näher kommen sie auch einander. Ich fand dieses Bild immer sehr schön, weil ich darin so viel Wahrheit sehe. Ich fühle mich meinem – heute – Verlobten am nächsten, wenn wir über das reden, was uns am wichtigsten ist, und uns gemeinsam dem zuwenden, der das Fundament unseres Lebens ist: Gott. Darum empfand ich es als wunderschöne Idee, als mir Marlene bei unserem ersten Treffen nach dem Umzug vorschlug, wir könnten doch einmal die Woche einen gemeinsamen Termin zum Beten finden. Fernbeziehungsmäßig, übers Telefon.

Dazu muss man sagen: Ich fand den Gedanken wundervoll. Seine Umsetzung machte mir allerdings eher Angst. Nicht nur, weil ich dachte: „Dafür fehlt mir echt die Zeit“, sondern auch, weil ich nicht besonders gerne laut bete.

Gebet ist für mich so wahnsinnig intim und Gebetsanliegen tauschen bedeutet für mich, die zerbrechlichste Version meiner selbst werden zu müssen.

Gott als Mittelpunkt zwischenmenschlicher Beziehungen
Den ersten Freitag verpassten wir. Keiner dachte dran, oder vielleicht dachte ich auch dran aber tat so, als hätte ich es vergessen. Den zweiten Freitag wollte ich es genauso machen – doch eine halbe Stunde nach Terminbeginn klingelte mein Handy, mit Marlene auf der anderen Seite. Also gut, dachte ich, lass es uns versuchen. Bis heute bin ich einfach nur dankbar, dass Marlene hartnäckig genug war, um diesen Termin zu realisieren: der freitägliche Gebetsmorgen wurde zum Zentrum unserer Freundschaft und für mich, in einer fremden Stadt und vorerst ohne Gemeinde, zu einem wichtigen Teil meiner Gemeinschaft mit anderen Christen.

Ab jetzt waren Marlene und ich trotz der Ferne zwischen uns mehr am Leben des anderen beteiligt, als je zuvor. Bis heute beginnen unsere Telefonate mit dreißig bis vierzig Minuten Updates, während derer sich jeder ständig neuen Kaffee holt: Wie geht es dir, geistlich, seelisch, körperlich? Was ist diese Woche passiert, was belastet dich? Wie geht es deiner Familie, und vor allem: Wofür kann ich beten? Man spricht anders über die Dinge, wenn man weiß, dass diese Stunde echten Anliegen und Ehrlichkeit vorbehalten sein soll.

Man reflektiert sich selbst, begleitet den anderen durch Entscheidungen und Sorgen, und weiß, dass am anderen Ende der Leitung nichts als Liebe und Gebet auf die eigenen Fehler warten.

Ich habe das Gefühl, unser gemeinsames Gebet hat unsere Freundschaft tiefer und authentischer gemacht, als sie es je war. Das Dreieck entspricht nicht nur der Realität in romantischen Beziehungen: Auch wenn wir Gott zum Zentrum unserer Freundschaften machen, bringt das mehr Nähe zueinander und
zu ihm.

Gebete voller Dankbarkeit
Nachdem wir wieder auf dem neusten Stand im gegenseitigen Leben sind, sagt einer von uns meisten: „Dann lass uns beten“. Oft bitte ich Marlene, anzufangen: „Ach Vater“, sagt sie dann, “ich danke dir für diese Zeit mit Sarah und für unsere Freundschaft“. Ich nicke stumm am anderen Ende, denn mein Herz schwappt über vor Dankbarkeit. Dankbarkeit, jemanden zu haben, der die zerbrechlichste Version meiner selbst kennt und liebevoll vor Gott bringt, Woche für Woche. Dankbarkeit dafür, dass man heute, dank Technik, Freundschaft pflegen kann, ganz ohne in erreichbarer Nähe zueinander zu sein. Und vor allem Dankbarkeit für einen Vater, der unseren schwachen Stimmen, mit unseren kleinen Problemen, nicht nur göttliches Gehör schenkt, sondern ihnen mit Antworten und Taten begegnet. Der uns als Wesen geschaffen hat, die sich nach Gemeinschaft sehnen, und diese im gemeinsamen Glauben an ihn finden dürfen.

Nach dem Amen geht es weiter
Marlene betet für mich, ich bete für sie. Es tut gut, wenn jemand anderes für dich betet.

Andere Menschen sprechen uns im Gebet Segen zu, und beten oft mutiger für unsere Anliegen, denen wir mit zitternden Herzen gegenüberstehen.

Und auch wenn es uns schwerfällt: Es ist schön, nicht nur in Gedanken, sondern mit echter Stimme zu Gott zu sprechen. Sich voll auf ihn zu konzentrieren und für eine Freundin vor ihm einstehen zu dürfen.

Nach dem „Amen“ bleibt eine überwältigende Gelassenheit und die Gewissheit in meinem Herzen, dass Gott sich meiner annimmt. Ich fühle mich seelisch gestärkt. „Hab dich lieb, bis dann”, sage ich, und starte mit Gott in den letzten Tag meiner Woche. Froh, dass unsere Fernfreundschaft uns statt zu schlechteren, zu besseren Freundinnen machte. Und froh über Freitagvormittage, in denen ein liebevoller Vater und eine liebevolle Freundin mein Herz – immer wieder neu zur Ruhe bringen. Eine kleine Routine, die ich anderen Freundschaften wirklich sehr empfehlen kann. Eine Dreiecksbeziehung, die echt funktioniert.

Sarah Marie Tönges

Sarah Marie ist 22 Jahre alt und verlobt mit Daniel. Sie ist Studentin der Germanistik & Medienwissenschaft und betreibt schon seit vielen Jahren Schriftstellerei – einige ihrer Texte teilt sie unter dem Motto „Himmelhochjauchzend – Gedankenvertieft“ bei Youtube, Instagram und verschiedenen Live-Auftritten mit ihren Zuhörern.