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Alles hat seine Zeit

…weil jeder Moment einmalig ist

Gerade heute wird mir wieder einmal bewusst, wie schnell die Zeit mit Kindern vergeht. Es kommt mir vor wie gestern, dass wir mit unserem kleinen Großen in den ersten Urlaub zu dritt aufbrachen. Mittlerweile zählt unsere Familienschatzkiste 5 Kinder, jedes einzigartig und kostbar.

Aus meinem Baby von damals ist ein bildschöner junger Mann von 12 Jahren geworden. Noch darf ich es wagen, mich mit ihm zu balgen, mir öffentlich Wortgefechte liefern und sogar den Arm, um ihn zu legen. Wenn ich so zu ihm aufschaue, und das muss ich, weil er mich um einen halben Kopf überragt, erschrecke ich wie schnell die Zeit vergangen ist, in der er mich dringend brauchte. Auf immer größeren Füßen macht er sich daran, seine Welt zu erobern und eigene Fußspuren zu hinterlassen. Viele gute Erziehungstipps habe ich im Lauf der Jahre bekommen. Nicht immer habe ich sie ernstgenommen. Aber ich habe mich immer bemüht, mein Bestes zu geben. Ich habe auch jämmerlich versagt. Gut, dass Gott darüber hinaus meine Schwächen ausgleicht, dass er den Mangel meiner Kinder füllt. Aber ich habe ihn (und die anderen!) immer geliebt, Tag und Nacht. Und ich werde sie immer lieben! Das entscheide ich jeden Tag neu. Ich liebe meine Kinder, auch wenn sie mir irgendwann einmal nicht liebenswert erscheinen. Wenn sie krumme Wege beschreiten. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand oder irgendetwas sie aus meinem Herzen vertreibt.

Wenn kleine Kinder sich verletzen, schreien sie zuerst nach Mama! Irgendetwas hat Gott uns Müttern gegeben, dass diesen tiefen Trost, diese Geborgenheit ausdrückt, die Kindern die Gewissheit vermitteln: „Hier bist du sicher! Alles wird gut!“. Gerade in den ersten Monaten und Jahren ist Mama der sichere Hafen im Leben unserer Kinder. Vielleicht ist es diese komme-was-da-wolle-Liebe, die Sicherheit bietet. Neun Monate lang trugen wir unsere Kinder unter unserem Herzen und halfen ihnen auf diese Welt. Diese Zeit ist für uns beide prägend! Und erzeugte eine Bindung, die einmalig ist!

Ich hoffe, dass einige der guten Erziehungstipps von damals auch aus Kinderperspektive umsetzbar sind. Wenn ich meinen Großen so beobachte, dann kann es nicht mehr so lange dauern, bis ich auf einen Stuhl klettern muss, um ihm in die Augen schauen zu können. Und ich spüre am eigenen Leib, was es bedeutet, mit jemandem zu reden, der nicht auf meiner Augenhöhe ist. Oder mein Sohn leiht mir an kühlen Abenden bald seine Jacke, in der ich mir irgendwie zerbrechlich und klein vorkomme.

In Prediger 3,3 lesen wir, dass alles seine Zeit hat.
Ich kann mich gut an die ersten Monate mit einem Säugling erinnern. Wie scheinbar normale Dinge plötzlich unnormal wirkten. Das Durchschlafen in der Nacht war zu einem unbezahlbaren, weil unerreichbaren Luxusgut geworden. Der heißgeliebte Tee oder Kaffee am Morgen verkam regelmäßig zu einer ungenießbaren, eiskalten Brühe, weil das Baby plötzlich Hunger, Bauchweh oder eine volle Windel hatte. Ich war in der Lage, in wenigen Minuten zu duschen, ohne die Temperatur, geschweige denn den Seifenduft genießen zu können. Unter meinen Augen befanden sich bald schon keine Ringe mehr. Es sah eher LKW-Reifenspuren aus. Ich fragte mich, wie ich das die nächsten Jahre durchstehen soll. Immer wieder stellte ich nach durchwachten Nächten und dem Gedanken „Wer wollte eigentlich Kinder?“ (Ich geb’s zu, wir beide), dass ein kleines zahnloses Lächeln oder ein undeutlich gemurmeltes „Mama“ mein Herz dahinschmelzen ließ wie Schokolade in der Karibiksonne. Kleine, schmutzige Fingerchen fanden den Weg in mein Gesicht, während ein kleines Mündchen mir einen feuchten Schmatz auf die Wange drückte. Und ich wusste wieder, warum es genial ist, Mutter zu sein. In den ersten drei Lebensjahren geben wir unseren Kindern die Grundlagen mit, die sie benötigen, um irgendwann auf eigenen Beinen stehen zu können. Wenn wir als Mütter und Väter verlässliche Betreuungspersonen sind, bekommen unsere Kinder ein sicheres Urvertrauen und erleben ihre Welt als grundsätzlich positiv. Es ist ein unbezahlbarer Schatz, das erste Wort, Krabbeln oder den ersten Schritt selbst miterleben zu können.

Oft hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich den ganzen Nachmittag auf der Krabbeldecke gelegen und ‘nur’ mit meinen Kindern gespielt hatte. Glücklicherweise hatte ich sowohl einen Mann als auch Freunde, die mich immer wieder darin bestärkten, die Priorität auf mein Kind zu legen. Weder Staub, Schmutzwäsche noch Gardinen werden mein Zuhause irgendwann verlassen, weil sie zu alt sind. Und auch wenn ein sauberes Zuhause für unsere Gesundheit wichtig ist, hat es mir und unseren Kindern nicht geschadet, wenn die Gardinen nur einmal im Jahr gewaschen wurden. Die Bügelwäsche wurde irgendwann, in besonders stressigen Zeiten zur „Faltwäsche“ umbenannt. Dafür erlebte ich kostbare Momente, beim gemeinsamen Backen, Wäsche aufhängen oder Garten umgraben. Nichts davon konnte ich mit Kleinkindern auch nur annähernd in derselben Zeit oder Qualität umsetzen, aber unsere Beziehung wurde mit jeder Minute enger. Natürlich gibt es Zeiten, in denen wir an Grenzen geraten, in denen nicht alles rosarot ist. Rückblickend muss ich aber sagen, ich hätte gern noch mehr Dinge aus Kindersicht betrachtet und entdeckt. Besonders lehrreich war für mich das Spazieren stehen mit meinem Sohn. Er war ein Entdecker mit seinen 1,5 – 2 Jahren. Ich war der Meinung, frische Luft sei gesund und sorgte täglich für Bewegung. Zumindest wollte ich das. Ein kleiner Weg führte nahe bei unserem Haus an Feldern, Wiesen und Wald entlang, den ich sehr gern nutzte. Mein Sohn war auch gern draußen. Aber er hatte (vielleicht auch aufgrund seiner Körpergröße) einen anderen Blickwinkel. Wir kamen nie weiter als ein paar Meter…. Denn es gab so viel zu entdecken: Blumen, Steine, Schnecken, Äste und vieles mehr. Zuerst war ich nur genervt. Ich brauche Bewegung! Ich kann schlecht stillstehen. Irgendwann, nach einigem Theater, begriff ich, dass er es nicht tat, um mich zu ärgern. Er liebte diese Zeiten. Und er entdeckte Dinge, die mir nicht auffielen. Wir fanden unseren eigenen Rhythmus. Ich nutzte die Bänke am Wegrand, um zu sitzen, während er um mich herum forschte und sammelte. Dann gingen wir weiter. Abends zu Hause wurden alle Schätze noch Papa vorgeführt, der ihnen die Anerkennung zollte, die erforderlich war. Ich möchte dich gerne ermutigen, die Zeit mit deinen Kindern viel bewusster zu genießen. Ganz oft höre ich bei Beratungen oder Seminaren den Satz: „Ach, hätte ich mir nur mehr Zeit genommen. Sie waren so schnell groß!“. Noch nie hat jemand gesagt, dass er sich doch während der „Elternzeit“ lieber verstärkt dem Haushalt hätte widmen sollen.

18 Jahre dauert es, bis ein Mensch vor dem Gesetz als „erwachsen“ gilt.

Das klingt im ersten Lebensjahr schrecklich lange. Mir bleiben noch knapp 6 Jahre. Und in dieser Zeit wird sich mein Großer mehr und mehr abkapseln, loslösen, auf eigenen Beinen stehen. Ich freue mich, seine neu gewonnenen Freiheiten und Fähigkeiten miterleben zu können. Und doch stelle ich fest, wie wahr die Bibel ist. „Alles hat seine Zeit.“ Seine Kleinkindzeit, sein Angewiesen sein auf mich ist schon jetzt vorbei. In den vergangenen Jahren habe ich mich immer wieder neu dazu entschieden, jede Minute auszukosten. Unabhängig davon, ob es anstrengende Tage, Stunden oder Wochen waren oder sind, will ich jeden Moment leben. Weil jeder Moment einmalig ist. Und unwiederbringlich verloren, wenn er vorbei ist.

Auch den Trennungsschmerz, den ich jetzt mitunter spüre, weil mein Kind lieber mit Freunden um die Häuser zieht als mit mir im Garten Fussball zu spielen, will ich ganz bewusst spüren. Denn er zeigt mir, dass die Energie, die Kraft, die Liebe und die Zeit, die ich in den ersten Jahren investiert haben, Früchte tragen. Er wird ein Mann. Und ein ganz wunderbarer dazu! Ich wachse langsam aus meinen Erziehungsschuhen heraus und schlüpfe in die Begleiterrolle. Ich blicke dankbar zurück und noch dankbarer und neugieriger nach vorn, weil ich weiß, dass mein himmlischer Papa Gnade schenkt. Er füllt alle Lücken aus, die ich bei meinen Kindern trotz guten Willens nicht füllen konnte, weil ich Grenzen hatte oder selbst Mangel litt. Und er ist Tag und Nacht bei ihnen, lässt sie nie los!
„Alles hat seine Zeit!“

Jana Badstübner

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