Wenn der Partner sich entscheidet, zu gehen
Die Autorin ist der Redaktion bekannt.
Unser Sohn war drei und unsere Tochter gerade ein halbes Jahr alt, als mein Mann keine andere Lösung sah, als unsere Ehe zu beenden und sich in eine neue Partnerschaft zu stürzen. Wir führten zwei Wochen lang intensive Gespräche – so tief und ehrlich wie nie zuvor in unserer Beziehung. Ich setzte alle Hebel in Bewegung – doch seine Entscheidung stand am Ende fest: Er konnte und wollte nicht mehr für unsere Ehe kämpfen.
Für mich kam diese Entscheidung wie aus dem Nichts. Natürlich hatte auch ich gemerkt, dass wir beide nicht zufrieden mit unserer Beziehung waren – so kurz nach der Geburt des zweiten Kindes ist man als Mama grundsätzlich auch erstmal mit diversen Baby- und Familienthemen beschäftigt und die Kapazitäten für anderes waren bei mir begrenzt. Aber dass mein Mann sich anscheinend in der letzten Zeit schon so weit von unserer Beziehung verabschiedet hatte, habe ich nicht mitbekommen und hätte ich nie für möglich gehalten.
Nun stand ich plötzlich da: verlassen und alleinerziehend – völlig machtlos, noch irgendetwas ändern zu können. Ich wusste sofort, dass ich all das, was nun auf mich zukommen würde, nicht alleine schaffen konnte. Ich brauchte Menschen an meiner Seite, die mich durch den unfassbaren Schmerz begleiteten und die mir ganz praktisch im Alltag mit Haus, Kindern und Co. halfen. Und ich wollte unbedingt verstehen, was da passiert war.
Wie um alles in der Welt konnte es so weit kommen?
Ich wandte mich an eine Kollegin, die ausgebildete Lebensberaterin ist und auch selbst die Erfahrung einer Trennung durchlebt hatte. Sie war bereit, mich durch meine Trauer und Fragen zu begleiten. Neben viel Verständnis und Mitgefühl gab sie mir direkt zu Anfang schon sehr klare Worte mit auf den Weg: »Du musst seine Entscheidung akzeptieren. Du kannst es nicht ändern.« »Es geht dich nichts mehr an, wo er ist und was er macht.« Puh… das war hart! Wie sollte ich etwas akzeptieren, was ich zu keinem Stück wollte? Ich wusste immer, wo er mit wem unterwegs war und von jetzt auf gleich hatte ich kein Recht mehr darauf? Ich musste neu für mich definieren, was Akzeptieren bedeutet: Es heißt nicht, etwas gutzuheißen, aber es bedeutet, nicht mehr dagegen anzukämpfen. Ich entschied mich recht schnell dazu, nicht mehr für etwas zu kämpfen, das keine Chance mehr hatte – das hätte mich kaputt gemacht. Also war der einzige Weg: Loslassen!
Meine Strategien zum Loslassen
Für mich war es sehr wichtig, meinen Gefühlen Raum zu geben. Den Schmerz immer wieder vor Freundinnen zu benennen – gemeinsam mit ihnen zu weinen und wütend zu sein. Ich wollte nicht vor dem Schmerz wegrennen, damit er mich nicht irgendwann später wieder einholt. Also habe ich mich ihm gestellt. Gleichzeitig habe ich trainiert, immer wieder aufkommende quälende Gedanken zu stoppen und ihnen etwas entgegenzusetzen. Beispielsweise die Frage, was er wohl gerade mit dieser neuen Frau an seiner Seite tut, hat mich oft (insbesondere nachts, wenn mein Kopf Zeit hatte) gequält. Hier habe ich mir dann immer wieder gesagt: »Ich kann es nicht ändern und in Tatsachen, die ich nicht ändern kann, will ich keine Energie investieren! Es kann mir egal sein!«
Neben dieser Arbeit an meinem Mindset brauchte ich sichtbare Schritte: Ich habe all seine Sachen in Taschen gepackt und ihm vor die Füße gestellt. Ich habe alle Fotos von ihm aus dem Haus verbannt und durch neue ersetzt. Ich habe meinen Ehering von einer Goldschmiedin zu einem »Mama-Ring« umarbeiten lassen. Ich habe gemeinsam mit Freundinnen Erinnerungsstücke verbrannt. Später habe ich mein Autokennzeichen erneuert, um den Anfangsbuchstaben seines Namens los zu werden. Durch all diese praktischen Schritte waren nicht auf Knopfdruck alle Gefühle für ihn weg. Selbst wenn der Kopf etwas entscheidet, kommt das Herz nicht so schnell hinterher – aber es wird mitgezogen, je aktiver man solche Schritte geht.
Es war teilweise völlig unlogisch: Dieser Mann verletzte mich sehr, aber ich fühlte mich dennoch zu ihm hingezogen. Mein Kopf sagte mir: »Schick ihn in die Wüste, der trampelt auf deinen Gefühlen herum!«. Mein Herz sagte dagegen: »Guck mal, wie süß er zu den Kindern ist und wie gut er riecht!« Für mich war es hier sehr wichtig, den Kontakt auf das Nötigste zu reduzieren und nur noch auf Elternebene mit ihm zu sprechen, aber nicht mehr über Privates. Am Ende war es für mich aus reinem Selbstschutz sehr wichtig, mich stark zu distanzieren und mir gleichzeitig immer wieder (wenn auch schmerzhaft) vor Augen zu halten, dass er mich verletzt und sich für eine andere Frau entschieden hat – um meinem Herz zu verklickern, dass es sich verabschieden muss.
Ein weiterer bedeutsamer Schritt war es für mich, um Vergebung zu bitten. Ich begab mich sehr intensiv auf die Suche nach den Ursachen für unser Scheitern – zu einer Ehe gehören immer zwei. Er hatte sich entschieden, nichts mehr in die Beziehung zu investieren, aber ich wollte unbedingt die Chance dieser Krise nutzen und daraus lernen – für mich und meine Kinder. So hat sich schnell eine lange Liste an persönlichen Themen angesammelt, die aus meiner Sicht dazu beigetragen hatten, dass unsere Beziehung nicht rund lief.
Durch diese intensive Beschäftigung mit meinen »Baustellen« begann eine Stimme in meinem Kopf mir zu sagen: »Der Arme konnte ja nicht anders als zu gehen!« Das war nicht hilfreich! Meine Kollegin hat mir sehr geduldig immer wieder zugesprochen, dass all das kein Grund ist, eine Ehe zu verlassen. Aber um wirklich frei davon zu werden und dieser Stimme etwas entgegensetzen zu können, habe ich einen Brief geschrieben, in dem ich alle Punkte, die mich belastet haben, aufgeschrieben und meinen Mann um Vergebung gebeten habe. Ich habe ihm den Brief dann gegeben ohne jegliche Erwartungen an ihn. Dieser Schritt war am Ende rein egoistisch für mich, um frei zu werden. Ich habe diese Liste auch Gott vor die Füße gelegt.
So konnte ich nun der inneren Stimme sagen: »Die Schuld ist vergeben! Du hast hier nichts mehr zu sagen!« Und ich habe die Verantwortung an Gott abgegeben, sich um die Baustellen meines Mannes zu kümmern. Es ist nämlich auch nicht hilfreich für den Prozess des Loslassens, wenn der Ex-Partner einem Leid tut und man ihn retten will. Dieser Schritt war für mich sehr befreiend und wichtig für meine Selbstannahme und meinen Selbstwert.
Circa ein Jahr nach der Trennung war ich soweit, mich mit der Frage zu beschäftigen, ob ich meinem Mann weiterhin meine Tür aufhalten wollte. Er hatte mir seine Tür sehr deutlich vor der Nase zugeknallt – ich hätte mich auf den Kopf stellen können, sie ging nicht mehr auf. Meine Tür hingegen stand weiterhin offen, wenn auch nur einen Spalt breit. Ich beschäftigte mich intensiv damit, warum das so war, schrieb eine Liste und hinterfragte gemeinsam mit meiner Kollegin jeden der Punkte. Sie beschrieb meine Situation treffend mit einem Tau, das uns mal verbunden hatte. Er hatte es losgelassen und war mit Vollgas in die andere Richtung abgedampft, aber ich hielt es weiterhin in der Hand – es fühlte sich doch irgendwie noch vertraut an und gab mir vermeintliche Sicherheit. Mit verschiedenen Übungen gelang es mir, dem auf die Spur zu kommen, was ich wollte. Mir wurde klar, dass ich mir eine Zukunft mit ihm nicht mehr vorstellen konnte – höchstens ein Wunder hätte das noch bewirken können. Also entschied ich mich dazu, meine Tür zu schließen.
Blick nach vorne
Jetzt stehe ich hier ohne Tau in der Hand. Die Unsicherheit und Leere, die ich vermutet hatte, ist inzwischen einem Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit gewichen.
Ich möchte meine Lebensfreude nicht mehr von seiner Entscheidung und seinem Verhalten abhängig machen.
Ich bin offen für Neues – für das, was Gott mit mir vor hat – und motiviert, weiter an mir selbst zu arbeiten, um ein gutes Vorbild für meine Kinder zu sein und eine potentielle neue Partnerschaft auf einem ganz anderen Level erleben zu können. Für mich ist es ein Geschenk, dass ich von Anfang an die Motivation hatte, diese Krise als Chance zu nutzen. Ich habe mich dazu entschieden, nicht nur die Trennung an sich, sondern auch viele dahinter liegende Themen zu bearbeiten. Freiwillig hätte ich mich nie so weit aus meiner Komfortzone heraus gewagt (wie ich jetzt gezwungen wurde).
Aber wenn ich schon mal da bin, kann ich auch da bleiben und das Wachstumspotential nutzen. Bei der Suche nach einem Wort, das über dem neuen Jahr stehen soll, hat Gott mir das Wort »Ernten« aufs Herz gelegt. Einige Samen sind schon gesät und manches kann ich sogar schon ernten. Andere angestoßene Prozesse werden noch ihre Zeit zum Wachsen brauchen. Tränen fließen hier hin und wieder immer noch, aber das ist auch in Ordnung. Dennoch möchte ich meinen Fokus auf das richten, was in meinem Handlungsspielraum liegt und meinen Lebensgarten frei gestalten. All das wäre so nicht möglich gewesen, wenn ich nicht ein wertvolles soziales Netzwerk hätte – ich danke Gott, dass er mir so viele großartige Menschen an meine Seite gestellt hat, die mich auf diesem Weg begleiten!